Das Lipödem
Eine Reise durch die Geschichte des Lipödems kann dieses Krankheitsbild leichter verständlich machen.
Lipödeme gibt es wahrscheinlich schon solange wie die Menschheit existiert. Zeichnungen von stark verdickten Beinen finden sich in vielen alten Kulturen, z. B. Malta 3000 vor C. und Ägypten 1500 vor C. Ob das als Krankheit angesehen wurde, ist natürlich nicht bekannt. Wahrscheinlich war das Lipödem damals eine seltene Erkrankung, da ausreichende Ernährung nur wenigen privilegierten Menschen zur Verfügung stand. Der weitaus größte Teil der Menschen war chronisch unterernährt, was einer Lipödementstehung entgegen stand: ist doch ein großer Teil der Lipödeme heutzutage Adipositas-induziert.
Mit dem langsamen Verschwinden des Nahrungsmangels in der Neuzeit und der zunehmenden Verbreitung der Adipositas wurde das Lipödem sicherlich häufiger und bedeutender und somit auch mit Namen benannt, z. B. Adiposalgie, Adipositas dolorosa, Lipodystrophia progressiva u. a. Der Ausdruck "Lipödem" geht auf die Amerikaner Allen und Hines zurück, die 1940 das "Lipedema of the legs" als ein Syndrom von fetten Beinen und orthostatischem Ödem beschrieben. Eine Therapie gab es damals jedoch nicht. Das änderte sich erst als Asdonk 1973 die Physikalische Entstauungstherapie (Kombination der Vodder'schen Manuellen Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung) in die Medizin einführte.
Als ich 1983 zur Lymphologie kam und Nachfolger von Dr. J. Asdonk wurde, war das Lipödem noch nicht so sauber definiert wie heute und wurde oft mit Lymphödemen und Adipositas verwechselt. Mir fielen damals in meinen lymphologischen Lehrjahren zwei Fakten auf, die mich beschäftigten. Einmal gab es Lipödem-Patienten, die auch vor der physikalischen Therapie keine eindeutigen Beschwerden hatten. Der Therapieerfolg bestand bei diesen in einer geringen Beinvolumenreduzierung, die aber in keinem vernünftigen Verhältnis zu den therapeutischen Kosten stand. Das andere war der damals für die Verdickungen der Extremitäten gebräuchliche Name "Lipodystrophie", der sonst in der Medizin einen Mangel beschreibt. Und bei unseren Patienten bestand geradezu das Gegenteil. Nach 10 Jahren habe ich mich dann getraut, diese Extremitäten-Verdickungen als "Lipohypertrophie" zu bezeichnen und die Lipohypertrophie vom Lipödem zu differenzieren. Heute hat sich der von mir 1993 eingeführte Begriff Lipohypertrophie in der Lymphologie etabliert. Zur Namensfindung siehe www.lipohypertrophie net.
Siehe dazu meine Arbeit Nr. 1: Das Lipödem-Was ist das genau? in der Zeitschrift "Physiotherapie" von Mai 1993.
Aus heutiger Sicht habe ich in dieser Arbeit den Oberschenkel-Typ der Lipohypertrophie inkonsequent "Lipohyperplasia circumscripta" und die seltene atypische Lipohypertrophie der Hände und Füße fälschlich als "Lip-Lymphödem" bezeichnet sowie als Ursache der Lipödementstehung allein eine mechanische Lymphostase durch die Fettmassen angenommen, was nur teilweise zutrifft. Meine Empfehlung zur Liposuktion war zu dieser Zeit konträr zur Lehrmeinung der damals führenden Lymphologen und brachte mir böse Kommentare.
In meiner Arbeit Nr. 2 "Das Lipödem" in der Zeitschrift "Lymphologie" von Juni 1995 habe ich dann die Lipohyperplasia circumscripta fallen lassen, aber beschrieben, dass eine Lipohypertrophie der Extremitäten die Voraussetzng für ein Lipödem sei.
In der Veröffentlichung Nr. 3 "Krankheitsspektrum des Lipödems an einer lymphologischen Fachklinik" in der Zeitschrift Vasomed von Mai 1997 habe über 10 Monate 933 Patienten ausgewertet, von denen nur 144 (15%) ein Lipödem hatten (74% hatten damals noch Lymphödeme! Heute dominiert das Lipödem die Lymphkliniken!). Die Kombination von Lipödem mit Phlebödem und Lymphödem oder beiden war relativ selten.
Wegen der häufigen lymphologischen Fehldiagnosen habe ich zur Differenzierung "Die häufigsten Beinödeme" (Phlebödem-Lymphödem-Lipödem) in Arbeit Nr. 4 dargelegt, die im März 2001 in der Zeitschrift für Phlebologie erschien.
Meine Veröffentlichung Nr. 5 "Der Missbrauch des Lipödems" in der Zeitschrift LymphForsch von Dezember 2003 zeigte die unnötigen Kosten für unser Gesundheitssystem bei Lipödem-Fehldiagnosen.
In Arbeit Nr. 6 "Entstehungszeitpunkt von Lipödemen" in der Zeitschrift LymphForsch im Dezember 2004 zeigte sich, dass sich das Lipödem normalerweise erst dann manifest wird, wenn eine Lipohypertrophie längere Zeit besteht. Hier wurde erstmals ansatzweise definiert, wann eine Liposuktion medizinisch indiziert ist.
Da eine Lipohypertrophie und ein Lipödem weit überwiegend eine Gewebsvermehrung darstellen, habe ich im Juni 2009 in der Zeitschrift LymphForsch Arbeit Nr. 7 über "Gewebsvermehrungen" verfasst.
Der Body-Mass-Index (BMI) errechnet bei schwergradigen Ödemen und Fettverteilungsstörungen wie Lipohypertrophie und Lipödem falsch überhöhte Werte, was ich in der Veröffentlichung Nr. 8 über die " Adipositas-Diagnostik in der Lymphologie" in der Zeitschrift LymphForsch im Dezember 2009 darlegen konnte. Ich konnte zeigen, dass von allen anthropometrischen Messmethoden allein der Bauch-Größen-Quotienten = BGQ (Waist-to-Height-Ratio = WHtR) ein sinnvoller Adipositas-Parameter für die Lymphologie ist.
Da die von den Spitzenverbänden der Krankenversicherungen seit Januar 2020 festgelegten Richtlinien zur Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen völlig falsch definiert wurden, habe ich den Lipohypertrophie-Quotienten (LipQ) in die Medizin eingeführt, der die schwersten Fälle von Lipohypertrophie und Lipödem eindeutig erkennen lässt. Dazu habe ich eine umfassende Statistik über Lipohypertrophie und Lipödem erstellt. Diese Arbeit Nr. 9 "Lipödem und Lipohypertrophie-Quotient" erschien in der Vasomed im Februar 2021.
Verfasser. Dr. Ulrich Herpertz www.lymphforum.de
Eine aktuelle und ausführliche Beschreibung des Lipödem und seiner Therapie finden Sie auf www.lipoedem.de
Ambulante lymphologische Untersuchungen durch Dr. Herpertz
Kostenlose Online-Beratung bei Ödemkrankheiten www.ödemsprechstunde.de